“Nachhaltige Anlagen sind der Spiegel unserer Werte”

Interview: Karin Landolt

Nachhaltigkeit ist in aller Munde, jedes Finanzinstitut bietet heute entsprechende Anlage-Produkte und -Strategien an. Aber wie viele davon sind vertrauenswürdig und was heißt überhaupt „unabhängig“ und „nachhaltig“? Darüber haben wir mit Niklaus Tschirky und Edith Aldewereld vom Sonnenberg Wealth Management gesprochen. Die Vermögensverwaltung gehört mit 13 Mitarbeitenden zu den größeren unabhängigen Vermögensverwaltungsgesellschaften in der Schweiz.

AlphaFoundation: Stiftungen haben eine große Verantwortung und müssen ihr Geld mit Sorgfalt anlegen. Warum nicht bei einer Bank, sondern bei einem privaten Vermögensverwalter?

Niklaus Tschirky: Vermögensverwaltungen sind unabhängig und frei in der Auswahl von Depotbanken und Anlageprodukten. Da wir keine eigenen Produkte haben, sind wir nicht dem Druck ausgesetzt, diese zu verkaufen, sondern können uns vollkommen auf die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden konzentrieren. 

Im Gegensatz zu Banken unterliegen die Vermögensverwaltungen einem wesentlich geringeren Kosten-, Einkommens-, Zeit- und Aktionärsdruck. Sie können unabhängig handeln, haben ein weitreichendes Depotbankennetzwerk, besitzen auch eine gewisse Macht bei der Preisverhandlung (Pricing power), die einen positiven Einfluss auf die erzielten Nettorenditen haben. Fast am wichtigsten aber ist, dass sie in der Regel keine Fonds oder strukturierten Produkte vertreiben, und sich somit ungebunden auf den legitimen Kundenanspruch der „Best in class“- Produkte konzentrieren können. Dies gilt auch für den Aspekt der Nachhaltigkeit. Gerade hier herrscht ein wahrer Produktedschungel, die unabhängige „Expertise“ umso wichtiger. 

Sie suggerieren beinahe, die Banken verkauften Produkte, die dem Stiftungszweck widersprechen?

Tschirky: Nein, Banken unterstehen wie auch die Vermögensverwaltungen der Pflicht, die Risikoprofile und die Wünsche der Kundinnen und Kunden genau zu erheben, und handeln nach deren Anlagekriterien- und Zielvorgaben. Wenn der Finanzdienstleister aber eine eigene große Palette an Fondsprodukten anbietet, kann er die „Best in class“ – Ethik nicht immer garantieren. Und oft fehlt schlicht das nötige Fachwissen. Es braucht Zeit und Geduld, auf den Kunden oder die Kundin einzugehen, wirklich verstehen zu wollen und ein positives Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Bevor wir zum Thema Nachhaltigkeit kommen, bitte ein Wort zu den Gebühren, die für eine Stiftung ebenso zentral sind. Können Sie da mithalten?

Tschirky: Ich würde gar meinen, die Kostenfrage ist bei gemeinnützigen Stiftungen noch zentraler als bei Privatkundengeldern. Schließlich leben Förderstiftungen von den erzielten Erträgen – die sie durch Ausschüttung an die Begünstigten (nicht an Aktionäre!) generieren – also ähnlich wie Pensionskassen. Tiefere Kosten heißt mehr Ertrag für die Zweckbestimmung einer Stiftung. Vermögensverwaltungen sind in der Lage (auch aufgrund ihrer Verhandlungsmacht im Markt), ihre Leistung meist zu tieferen Kosten als Finanzinstitute anzubieten. Aber Kosten allein zu betrachten, macht keinen Sinn. Das Verhältnis von Rendite und Kosten muss stimmen. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen: Ja, viele Vermögensverwaltungen können ohne Probleme mithalten. Sind aber tiefgreifende Analysen im Bereich Nachhaltigkeit nötig, schlägt sich das auch bei den Kosten nieder. 

Frau Aldewereld, Sie sind die Nachhaltigkeitsexpertin bei Sonnenberg Wealth Management. Was sind für Sie nachhaltige Anlagen?

Edith Aldewereld: Das sind Anlagen, die nachweisbar einen positiven Einfluss haben auf unsere Gesellschaft und/oder das Klima und unseren Planeten. Dabei schauen wir auf die ESG-Kriterien (Environment, Social & Governance) eines Unternehmens: Wie wirtschaftet es auf Basis von Umwelt (E), Sozialem (S) und Unternehmensführung (G)? Wenn möglich schauen wir auch auf das SDG-Rating (Sustainable Development Goals): Welche Produkte und Dienstleistungen bietet das Unternehmen an, die tatsächliche Lösungen für die relevanten globalen Nachhaltigkeitsforderungen liefern? Um diese wichtigen Ziele zu erreichen, brauchen wir neue Ansätze und Technologien. Zusammen mit den Kundinnen und Kunden können wir auch klare Ausschlusskriterien definieren. Etwa Unternehmen, die im Waffen- oder Suchtmittelgeschäft operieren, oder die mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden.   

Diese Ausschlusskriterien reichen Ihnen aber hoffentlich nicht? Außerdem gibt es viele Unternehmen, die Greenwashing betreiben, sprich konventionelle Produkte mit einem Nachhaltigkeits-Etikett verpacken.

Aldewereld: Das ist richtig. Leider gelten im Finanzmarkt und überhaupt in der Wirtschaft aber keine internationalen Standards. Jedes Finanzinstitut setzt sie sich selbst – meist sehr tief. Die fehlenden Gesetze erschweren die Vergleichbarkeit für Anlegerinnen und Anleger in einem harten Konkurrenzkampf. Einzelne Länder wie Deutschland und auch die EU sind dabei, strengere Kriterien gesetzlich zu verankern, aber international herrscht nach wie vor Wildwuchs. Wenn wir Anlagefonds analysieren, helfen uns glaubwürdige und strenge Labels wie etwa das Forum für Nachhaltige Geldanlagen (FNG).

Es gibt Banken, die sagen, sie seien verzweifelt auf der Suche nach nachhaltigen Unternehmen, in die sie für ihre Kundschaft investieren wollen, aber es gibt noch zu wenige davon.

Aldewereld: Sie müssen sich Nachhaltigkeit als einen Prozess vorstellen. Wir messen die Unternehmen nicht allein nach dem Erreichten, sondern auch nach dem Weg, den sie einschlagen. So gibt es viele Firmen, die sich erst seit ein paar Jahren mit dem Thema befassen und sich Gedanken machen, wie sie nachhaltiger wirtschaften können. Nachhaltigkeit ist auch ein Prozess für die Finanzbranche und für die Investorinnen und Investoren. Es stehen zunehmend mehr Daten zur Verfügung, die es uns als Investierende einfacher machen, diesen Prozess zu beurteilen. Unternehmen, die Lösungen, Dienstleistungen und/oder Technologien anbieten, die helfen, vergangene durch die Wirtschaft geschaffene Ungleichheiten zu beseitigen, sind zukunftsfähig. Sie sind interessante Anlagen für unsere Anlegerinnen und Anleger. 

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Ein positives Beispiel ist Chr. Hansen. Dieses dänische Biotechnologieunternehmen liefert Lebensmittelkulturen und Enzyme für die Lebensmittelindustrie, sowie mikrobielle Lösungen für die Pflanzen- und Tiergesundheit. Im Vergleich dazu gibt es zum Beispiel den Autokonzern Peugeot. Dieser schneidet im ESG-Rating zwar gut ab, hat aber überhaupt keine nachhaltigen Lösungen und Technologien für die Zukunft bereit. 

Geld regiert nach wie vor die Welt. Seien wir ehrlich: Letztlich will man bzw. frau Geld verdienen, Rendite geht vor.

Tschirky: Jüngere Leute leben oft sehr umweltbewusst und möchten vermehrt ihre Werte gespiegelt sehen in ihren Anlagen. Ältere Leute möchten mit ihrem Vermögen etwas Gutes tun. Nachhaltig anlegen will übrigens nicht heißen, dass man langfristig keine oder weniger Rendite erzielt. Man möchte in die Unternehmen investieren, die in Zukunft gefragt sind. Wir sprechen von Unternehmen, die Nachhaltigkeit in ihre Unternehmensführung und Unternehmensstrategie integriert haben. Grundsätzlich muss bei einer Förderstiftung aber Geld verdient werden können. Dies sollte zwar mit dem gesellschaftlichen Nutzen in Einklang stehen, aber auch eine Rendite zu Gunsten der Zweckbestimmung und des Destinatär-Kreises erzielen.

Wie soll eine Stiftung in Bezug auf Nachhaltigkeit ausgerechnet auf Ihre Expertise vertrauen?

Aldewereld: Wir beschäftigen uns seit der Gründung unseres Institutes mit den guten Labels der Nachhaltigkeit. Unser Kredo lautet: Nachhaltige Anlagen sind der Spiegel Ihrer Werte. Die Kundinnen und Kunden sagen uns, was für sie nachhaltig ist. Danach richten wir uns und wir begleiten sie in diesem Prozess. Diese persönlichen Werte können für jede Person oder Stiftung anders sein. Als unabhängige Vermögensverwaltung haben wir die Professionalität und Flexibilität, um das Portfolio so zusammenzustellen, wie es den Werten unserer Kunden entspricht. 

In der Schweiz existieren über 13‘000 Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von geschätzten 120 Milliarden Franken, wobei 90 Prozent nicht über mehr als 3 Millionen Vermögen verfügen. 70 Prozent sind Förderstiftungen, finanzieren also Projekte und sind nicht operativ tätig. Sonnenberg Wealth Management wurde 2013 als unabhängige private Vermögensverwaltung gegründet, und ist der Plattform für unabhängige Vermögensverwaltungen «Aquila» angeschlossen, die über eine Banklizenz verfügt. Damit ist Sonnenberg der Finanzmarktaufsicht Finma unterstellt. Vermögensverwaltungen werden auch Parabanken genannt. Diese sind Institutionen des Finanzmarktes, aber keine klassische Bank.