Im neuen Stiftungswesen wird geteilt, gelernt und weitergegeben
Karin Landolt interviewte SKKG Stiftungspräsidentin Bettina Stefanini und den Leiter der Förderung Andreas Geis
Die Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, SKKG, mit Sitz in Winterthur hat sich unter neuer Führung komplett neu aufgestellt. Aus einer undurchsichtigen, verschlossenen Organisation entwickelt sich eine moderne Stiftung, die alte Zöpfe radikal abschneidet und Transparenz und Partizipation hochhält. Ein bewusstes Wagnis, wie Stiftungsratspräsidentin Bettina Stefanini und Andreas Geis, Leiter Förderung, sagen.
Welche Digitalisierungsstrategie verfolgen Sie?
Bettina Stefanini: Wir haben keine explizite Digitalisierungsstrategie entwickelt. Die SKKG hat sich vor drei Jahren neu aufgestellt, seither gehören die digitalen Möglichkeiten wie selbstverständlich in unseren Workflow, sowohl beim Inventar unserer unzähligen Kunstgegenstände als auch im Homeoffice, wo wir mit Kanban, Miro und anderen Tools erfolgreich arbeiten. Wir probieren auch neue Kanäle aus, um mit der Öffentlichkeit und unseren Projektpartnern eine neue Form von Beziehung aufzubauen. Etwa über Instagram: Wir berichten über unsere Tätigkeiten und legen bewusst offen, wer von der Stiftung wie viel Geld und für welchen Zweck erhält. Die Idee dahinter ist, dass die geförderten Organisationen dies teilen und liken. Wir wollen austesten, was sinnvoll ist.
Sie wissen also noch nicht, wie sich dies auswirken wird, und kultivieren eine bewusste Fehlerkultur?
Andreas Geis: Unser Ziel ist mehr Partizipation im Kulturerbe. Wir haben ein Kultur-Komitee per Los ins Leben gerufen, unterstützt von einer zweiköpfigen externen Projektleitung. In diesem Versuch ist das Iterative, also der Lernprozess, miteinkalkuliert, dies spiegelt sich auch im Budget. Wir wollen eine neue Form des Stiftungshandelns – eine, die Lernschritte erlaubt.
Wollen Sie die Grenzen des alten Stiftungswesens sprengen?
Andreas Geis: Wir möchten tatsächlich ein Wagnis eingehen, ein Wagnis mit dem Ziel, selbst für unsere Sammlung dazuzulernen, sie zugänglich zu machen, und zusammen mit Museen, welche vergleichbare Herausforderungen zu bewältigen haben, eine neue Haltung etablieren. Bisher war das Stiftungswesen oft hierarchisch: Ein Antrag wird gestellt, Geld wird gesprochen, ein Abschlussbericht wird verfasst. Dabei ging es meist darum, einen Teil der Finanzen zu übernehmen. Wir wollen mit den Museen und Sammlungen, die von uns unterstützt werden, einen gemeinsamen Weg gehen. Das führt dazu, dass unser Team im Bereich Förderung auch mal selbst den Antrag für ein externes Projekt schreibt, diesen aber im Austausch mit dem Projektbringerinnen gemeinsam zum Ziel führt. Anstatt eines Berichts erwarten wir sogenannte Oral Reportings, die Erfahrungen werden also mit uns im Gespräch ausgetauscht.
Sie erwirtschaften mit der stiftungseigenen Immobiliensparte Gewinn. Als Stiftung wollen Sie einen nicht monetären Mehrwert für die Gesellschaft schaffen. Welcher ist das?
Bettina Stefanini: Unsere Vision lautet: «Faire Mieten. Kultur für alle. Zusammenleben neu denken.» Danach richtet sich nicht nur die Stiftung, sondern auch unsere Immobilienverwaltung Terresta. Wir wollen, dass Menschen mitentscheiden können. Dies befördert auch die Liebe zur Kultur. Wir diskutieren aber auch die Frage, ob und auf welche Weise wir Kulturerbe mit unseren Immobilieneinnahmen finanzieren können. Und wenn ja, wie wir Menschen beteiligen, welche die Gelder einbringen, sprich: unsere Mieterinnen und Mieter.
Wo möchte die Stiftung in fünf Jahren stehen?
Bettina Stefanini: In fünf Jahren werden wir den Campo, unseren neuen Hauptsitz in Winterthur-Neuhegi, bezogen haben. Dort finden sowohl unser Sammlungsdepot als auch zahlreiche Drittnutzungen Platz. So können wir auch in räumlicher Dimension wirken. Wir werden eine austarierte Sammlungsstrategie haben, eine starke Zusammenarbeit mit unseren Förderungspartnerinnen pflegen, im Schloss Grandson ein neues Museum eröffnet und Pläne für Schloss Brestenberg haben. Auch werden wir bei den Renovationen von bezahlbarem Wohnraum Fortschritte erzielt haben.
Es heisst, die gewinnorientierte Privatwirtschaft verabschiede sich zunehmend von karitativem und kulturellem Engagement. Stiftungen müssten immer mehr in die Bresche springen. Teilen Sie diese Meinung?
Bettina Stefanini: Diese Frage mit Ja zu beantworten, wäre zu einfach. Es gibt Unternehmen, die sich durchaus engagieren. Aber es gibt auch die anderen. In der Corona-Krise haben wir die Massnahmen der Stadt Winterthur, wo unser Sitz ist, mit Sondersubventionen für Kulturschaffende finanziell unterstützt. Wir erwarteten, dass auch andere Stiftungen und Unternehmen mitmachen. Es ist uns teilweise gelungen, Stiftungen ins Boot zu holen, nicht aber die Unternehmen. Vielleicht war unser Vorgehen etwas ungeübt. Wir würden gerne lernen, wie man solche Beteiligungen stärken kann.
Die Stiftung Kunst, Kultur und Geschichte SKKG wurde 1980 vom Winterthurer Immobilienunternehmer Bruno Stefanini gegründet. Seit 2018 wird sie von seiner Tochter Bettina Stefanini geführt. Die SKKG unterhält eine Sammlung mit rund 80’000 historischen Objekten und Kunstwerken. In ihren Besitz gehören auch mehrere Schlösser, u.a. Grandson oder Brestenberg. Seit der Erneuerung betreibt sie ein Förderprogramm, das hauptsächlich auf Museen ausgerichtet ist. Für die Stiftung arbeiten rund 20 Festangestellte sowie weitere Expertinnen und Experten für die Katalogisierung und Digitalisierung der Objekte. Das Stiftungsvermögen beträgt rund CHF 1,1 Mia., das von der eigenen Immobilienfirma Terresta mit 70 Mitarbeitenden verwaltet und bewirtschaftet wird. Die Stiftung ist unter www.skkg.ch, das Kultur Komitee unter www.kulturkomitee.win zu finden.