„Eine Förderstrategie rechnet sich bereits ab dem ersten Tag“
Karin Landolt sprach in unserem Namen mit Regula Wolf, Organisationsberaterin und Mitglied der Geschäftsleitung von Con·Sense Philanthropy Consulting, über Förderstrategien.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Dieses geflügelte Wort gilt auch bei der Förderung von gemeinnützigen Projekten. Stiftungen könnten mit einer Strategie gezielt mehr bewirken, sagt Regula Wolf, Organisationsberaterin und Mitglied der Geschäftsleitung von Con·Sense Philanthropy Consulting. Nur – wie geht das?
AlphaFoundation: Sie begleiten über 80 Vereine und Förderstiftungen und empfehlen eine gut durchdachte Förderstrategie. Was bringt diese konkret?
Regula Wolf: Lassen Sie mich bitte mit der Frage beginnen, was passiert, wenn es keine Förderstrategie gibt.
AlphaFoundation: Einverstanden, was also passiert?
Regula Wolf: Oft entscheiden Entscheidungsträger:innen auf der Grundlage von Einzelprojekten. Mit der Zeit steigt die Zahl der unterstützten Gesuche, und irgendwann stehen die Stiftungsverantwortlichen vor der Frage, ob überhaupt wirksam ist, was sie unterstützen. In der Regel wollen die Stiftungen ja einen Unterschied machen mit dem, was sie fördern. Sie wollen etwas bewegen. Dies gelingt, und ist vorallem dann messbar, wenn sie – anstatt nach dem Bauchgefühl zu entscheiden – eine Strategie verfolgen. Es beginnt also mit einer Auslegeordnung entlang der Frage, wo die Stiftung in ihrem Sinne ansetzen kann.
AlphaFoundation: Welche Beobachtungen machen Sie bei Stiftungen, denen eine Förderstrategie fehlt?
Regula Wolf: Wir erleben sehr viel Unzufriedenheit. Man tut doch so viel und weiß dennoch nicht, wie viel erreicht wird oder wurde. Darum schauen wir mit einer Stiftung zuerst in die Vergangenheit: Was war? Welche Erfahrungen wurden gemacht? Diese Retrospektive zeigt häufig, dass man sich verzettelt hat. Es wurde ein großer Aufwand betrieben bei der Behandlung von Gesuchen. Oft hören die Stiftungen irgendwann nichts mehr von den Projektträger: innen. Die Gelder sind verteilt, und es ist trotz Abschlussbericht unklar, was aus ihnen geworden ist.
AlphaFoundation: Sie haben davon gesprochen, dass Stiftungen den wirksamen Unterschied machen wollen, wenn sie Projekte unterstützen. Wie geht das?
Regula Wolf: Im Nonprofitbereich ist oft die öffentliche Hand als Unterstützerin mit dabei. Stiftungen können sich beispielsweise überlegen, wo dies noch nicht der Fall ist, denn sie können schneller und mutiger handeln und neue Themen bearbeiten.
AlphaFoundation: Das wären?
Regula Wolf: Beispielsweise die Digitalisierung, die digitale Zivilgesellschaft, Künstliche Intelligenz. Hier könnte spannend sein, Projekte oder eben strategische Programme zu unterstützen, die den Menschen, die Gesellschaft, ins Zentrum stellen. Die Verwaltung ist bei neuen gesellschaftlichen Herausforderungen oft noch nicht soweit mit etwaigen Fördergefässen, und oft selbst noch mit internen digitalen Herausforderungen konfrontiert. Hier öffnet sich ein großes Feld für die Förderstiftungen, hier können sie viel bewegen.
AlphaFoundation: Angenommen, die Stiftung kennt ihr Feld, das sich ja aus dem Stiftungszweck ableiten muss. Welchen Mehrwert bringt die Förderstrategie konkret?
Regula Wolf: Wenn eine saubere Strategie steht, wenn eine Vision, die Mission, die Wirkungsziele und Maßnahmen formuliert sind und das Monitoring dazu aufgegleist ist, haben wir eine gute Grundlage, um die Wirkung zu überprüfen. Für jede Maßnahme müssen zwei oder drei gute Fragen beantwortet werden können. Die Antworten liefern ein Gesamtbild. Ist das Ergebnis nicht befriedigend, können die Maßnahmen justiert werden.
AlphaFoundation: Wie könnten solche Wirkungsziele aussehen? Welche guten Fragen meinen Sie?
Regula Wolf: Beim Thema Digitale Zivilgesellschaft könnte die Frage beispielsweise lauten, wie oft die zu unterstützende Organisation an politische Veranstaltungen eingeladen wird. Wie viele Mitglieder bzw. wie viel Mitgliederzuwachs sie hat, welche Zielgruppe sie erreicht. Oder inwiefern der Wissensstand in der Gesellschaft verbessert werden konnte, ob die Aktivität einer Initiative zu einer Gesetzesänderung geführt hat etc.
AlphaFoundation: Ab wann rechnet sich eine Förderstrategie für eine Stiftung?
Regula Wolf: Ab dem ersten Sitzungstag! Allein schon die Auseinandersetzung mit diesen Fragen führt dazu, dass die Verantwortlichen gezielter mit der Beurteilung von Gesuchen umgehen. Sie kommen in eine aktivere Rolle. Und dies erspart ihnen mittelfristig viel unnötigen Aufwand.
AlphaFoundation: Es gibt Projekte, die gut aber vielleicht wenig spektakulär sind. Fallen die durch die Maschen, wenn Stiftungen nur noch auf den genannten Unterschied fokussieren?
Regula Wolf: Es besteht tatsächlich die Gefahr, dass beispielsweise ein Kulturbetrieb, der sich nicht das Label «innovativ» umhängt, aus dem Fördertopf fällt. Viele Vereine machen wertvolle Arbeit, sie haben es verdient, gefördert zu werden. Allerdings wird in der Schweiz tendenziell nach dem Gießkannenprinzip gefördert. Alle erhalten etwas, obwohl sie sich in der Qualität stark unterscheiden. Es braucht mehr Kuratierung, einen qualitativen Filter, damit jene, die herausragende Arbeit machen, dies auch weiterhin tun können.
AlphaFoundation: Abgesehen von der Strategie, welche die digitale Transformation ins Zentrum rücken könnte, gibt es auch das digitale Werkzeug, das Stiftungen hilft, Gesuche gezielter und effizienter unterstützen zu können. Worauf ist aus Sicht einer Stiftung zu achten?
Regula Wolf: Ich war vor der Gründung von Con·Sense bei Migros-Kulturprozent für die Digitalisierungsprozesse verantwortlich. Die Herausforderung war für mich angesichts des riesigen Beratungs- und Software-Angebotes die Frage, was wir wirklich brauchten. Eine Software hat kein Fachwissen, kann aber in größeren Stiftungen gerade im Bereich der Gesuchsprozesse viel Zeit einsparen, damit mehr Zeit bleibt für fachliche Beurteilung und den Austausch mit den Projektinitiant: innen. Das kostet aber, deshalb ist es wichtig, sich auf die Fragen zu konzentrieren, die wirklich notwendig sind. Auch hier zeigt sich der Vorteil einer Förderstrategie: Je besser die Stiftung weiß, was sie will, desto klarer kennt sie die Anforderung an die digitalen Instrumente. Bei kleineren Stiftungen stellt sich natürlich die Frage, ab wann sich eine teure Software lohnt, und ob sie sich mit einfachen, aber durchaus hilfreichen, Excel-Tabellen begnügen können.
AlphaFoundation: Was raten Sie?
Regula Wolf: Ich denke, dass sich die digitale Unterstützung ab 80 bis 100 Gesuchen pro Jahr lohnt. Eine Gesuchssoftware ist ja nicht nur eine Datenbank, sondern auch ein Gedächtnis für vergangene Projekte und Prozesse.
AlphaFoundation: Beratung ist vordergründig teuer. Umgekehrt kann eine professionelle Stiftungsberatung Leerläufe vermeiden und das Profil stärken. Können Sie den Mehrwert beziehungsweise Ihre eigene Wirksamkeit beziffern?
Regula Wolf: Eine generelle Wirkung ist heute noch relativ schwer zu messen, noch fehlen aussagekräftige Zahlen. Das wird sich aber ändern, je mehr Daten wir haben, und je mehr Stiftungen selbst ihre Wirkung messen. Wir als Beratungsunternehmen legen großen Wert darauf, dass unsere Kundschaft weiß, woran sie ist. So verpflichten wir uns beispielsweise als B Corp* zertifiziertes Unternehmen für hohe Standards im Bereich der Sozial- und Umweltverträglichkeit, rechtliche Unternehmensverantwortung und öffentliche Transparenz. Wir wollen unsere Wirkung messen und belegen, denn unser Ziel ist es, zur nachhaltigen Veränderung in der Gesellschaft beizutragen.
* https://de.blab-switzerland.ch/b-corp-movement-in-switzerland
Con·Sense Philanthropy Consulting unterstützte im Jahr 2022 Nonprofit-Organisationen als Beraterin mit interdisziplinären Kompetenzen aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Sozialunternehmertum und Arbeitspsychologie. Insbesondere Strategieentwicklung, Bedarfsanalyse, Wirkungsmessung sowie Trainings und Organisationsentwicklung gehören zur Spezialität des 7-köpfigen Teams, das 2021 als unabhängiges Spin-off des Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel hervorgegangen ist.